Ehrenamt bringt Menschen zusammen, die sich sonst vielleicht nie begegnet werden. Oft entstehen Freundschaften und im Falle von Helga und Rojin halten sie über viele Jahre bis heute an. Kennengelernt haben sich die zwei Frauen als Teilnehmerinnen von unserem Pat:innen-Projekt „MySister“ im Jahr 2010. Damals besuchte Rojin noch die Grundschule. Helga hatte sich als ehrenamtliche Patin bei uns gemeldet. Bei „MySister“ werden erwachsene Frauen zu großen Schwestern, die den jungen Teilnehmerinnen als Vorbild, Unterstützerin und Mutmacherin zur Seite stehen. Wie bei Helga und Rojin, kann eine Patenschaft viele Jahre bestehen. Mittlerweile ist Rojin erwachsen und studiert Jura in Marburg. Helga durfte sie auf ihrem Weg begleiten und berichtet uns in eigenen Worten davon. Herzlichen Dank! Wir sind stolz auf die zwei Frauen!

MySister – Eine Erfolgsgeschichte

Sie beginnt vor elf Jahren in Essen. Ich war bereits seit zwei Jahren in Rente, arbeitete aber noch an drei Tagen halbtags in meiner Firma weiter. Doch mir blieb viel Freizeit und ich fragte mich, was ich damit anfangen wollte. Meine Kinder waren längst aus dem Haus und selbst in Brot und Arbeit. Etwas Sinnvolles sollte es sein.

Ich wusste bereits, dass ich ehrenamtlich irgendetwas mit Kindern machen wollte. Kinder fand ich schon immer spannend in ihrer Entwicklung. Ich wollte früher auch schon Kindergärtnerin werden. Da wir eine Drogerie zuhause in Duisburg hatten, überredeten mich meine Eltern, eine Ausbildung als Drogistin zu machen. Naja, das war nicht so meine erste Wahl, aber ich ließ mich überreden und machte die Lehre in der Drogerie meiner Mutter. Den Wunsch, etwas mit Kindern zu unternehmen, gab es aber immer noch bei mir.

So wandte ich mich als Rentnerin an die Ehrenamt Agentur in Essen. Ich hatte Glück. Dort startete ein neues Projekt an der Herbartschule in Essen Katernberg (heute Peter-Ustinov-Schule). Für Jungen gab es bereits schon eine gelungene Staffel, das sollte es jetzt auch für die Mädchen an der Schule geben. Zehn Schülerinnen aus der zweiten Klasse konnten sich dafür melden, d.h. die Eltern entschieden für ihre Kinder.

Gleichzeitig wurden dann zehn Patinnen gesucht, die ein Patenkind ehrenamtlich übernehmen. Ich war sofort überzeugt und meldete mich zu einem Einführungsabend in der Agentur an. Das Projekt wurde erklärt. Mitarbeiterinnen der Ehrenamt Agentur bereiten acht Treffen mit Patinnen einmal im Monat vor. Sie holen die Kinder mit einem Bus von der Schule ab und wir Frauen treffen uns dann an einem vorher organisierten Ausflugsort. Für Speisen und Getränke war gesorgt. Die Kids kamen ja direkt mittags aus der Schule und hatten großen Hunger.

Beim ersten Treffen verteilten Manuela und Kathrin von der Ehrenamt Agentur nach dem Zufallsprinzip Buttons an die Kinder und an die Patinnen. Wer jetzt die gleichen Motive hatte, der gehörte zusammen. Ein kleines Mädchen kam auf mich zu. Sie hatte einen Button mit einer Katze, genau wie ich.

„Hallo, ich bin Helga“, begrüßte ich sie „und wie ist dein Name?“ Sie beäugte mich etwas misstrauisch und antwortete: „Ich heiße Rojin“

„Guten Tag Rojin!“ Na, da wurde ich aber gleich korrigiert. Ich hatte das RRRRR nicht richtig ausgesprochen. Nach ein wenig Übung klappte es dann so einigermaßen. OK, das fängt ja gut an, dachte ich, eine selbstbewusste kleine Dame.

Ja, und genauso ist sie, meine kleine, große Rojin.

Das Abenteuer kann beginnen.

Erstes Ziel war das Erfahrungsfeld der Sinne. im Handwerkspark der Zeche Zollverein. Unser gemeinsames Mittagessen war super, gerade auch mit Rücksicht auf unsere Kinder aus verschiedenen Ländern. Danach konnten die Kinder in dem Erfahrungsfeld mit Begeisterung viele interessante Projekte ausprobieren. Es war eine Entdeckungsreise, und der Einstieg in unser Kennenlernen war gelungen.

Nun freuten wir uns schon auf unser nächstes Treffen. Es fand in der Osterzeit in der Spielewerkstatt der Villa Rü statt. Nach einer Stärkung mit Hähnchenschnitzel und Salat, versteckten erst die Mädchen für ihre Patinnen Ostereier in dem großen Haus und dann ging es umgekehrt. Den Spaß kann man sich gut vorstellen.

Weitere Events folgten während des Jahres 2011. Zeche Zollverein. Ganz toll, sogar mit einer Führung in die Kohlenwäsche, alle mit blauen Helmen auf dem Kopf. Vorher mussten wir natürlich diese Wahnsinnstreppe hinauf, das war schon ein Erlebnis. Im Mehrgenerationenhaus St. Anna bastelten die Kinder Abdrücke ihrer Hände und Gipsmasken. Auch dabei hatten alle ganz viel Spaß. Das nächste Treffen wurde mit viel Aufregung erwartet.

Es ging auf eine Jugendfarm, dort finden viele verschiedene Tiere ein wunderschönes Zuhause. Die Pferde waren der Renner. Und zum Abschluss gab es ein kleines Lagerfeuer mit Stockbrot und Nutella. Auf geht`s zum Mineralien-Museum, wo man das Geheimnis der Steine erforschen kann. Die Kinder durften Steine beschleifen und polieren, bis sie richtig schön glänzten. Die Gruga darf bei dem Projekt nicht fehlen. Mit der Bimmelbahn ging es quer durch den Park. Gerade im Frühjahr und im Sommer gibt es eine Vielzahl an bunten Blumen, und natürlich sind die Tiere auch interessant.. Zum Abschluss gab es ein dickes Eis.

Jetzt ist es soweit.

Erst bei unserem achten Treffen lernten wir die Eltern der Kinder kennen. Beim gemütlichen Kaffeetrinken wurden vorne auf einer großen Leinwand Bilder von unseren Ausflügen gezeigt. So konnten auch die Eltern daran teilnehmen. Rojin stellte mich ganz stolz ihrer Mama und ihrer kleinen und großen Schwester vor. Nach dem Treffen brachte ich sie nach Hause und lernte auch die weiteren Familienmitglieder kennen. Ich  wurde freundlich hereingebeten und hörte ein Kind rufen: „Die hat ja noch die Schuhe an!“  Oh je, Fettnäpfchen wo bist du?

Unser letztes Treffen fand wieder in St. Anna statt. Hier bereiteten wir ein Abschiedessen gemeinsam vor. Wir schnibbelten Gemüse für einen leckeren Salat , danach gab es Eis mit Erdbeeren. Zum Abschluss erhielten die Kinder ein Fotobuch mit allen Aktivitäten. Große und Kleine bekamen ein T-Shirt mit der Aufschrift MySister darauf. Aber Schluss war da noch lange nicht.

Ich bin so dankbar, dass ich an diesem Projekt, welches mit so viel Herzlichkeit, Aufmerksamkeit und vorbildlicher Organisation gestaltet wurde, teilnehmen konnte.

Und nun ist es eine Erfolgsgeschichte geworden!

Rojin und ich sind bis zum heutigen Tag dicke Freundinnen, auch freundschaftlich verbunden mit unseren Familien.

Und jetzt wird es noch viel schöner: Meine kleine Rojin wird jetzt bald neunzehn Jahre alt, hat ihr Abitur in der Tasche und………. sie studiert  Jura in Marburg.

Ist das nicht großartig? Ich bin so stolz auf dich

Ich wünsche dir weiterhin ein gutes Leben.

Bleib so positiv und liebenswert, Rojin.

Deine Patin Helga